Ausgerastet?

Ist es verrückt, Griechisch zu wählen?

Die alten Griechen kannten sich aus mit dem Ausrasten: Dionysos, der oben abgebildetet Gott, ist zuständig für das totale Ausrasten. Die Griechen sprachen freilich nicht von Sex and Druggs and Rock‘n Roll, sondern sie nannten es Ekstase, wörtlich "Aus-sich-Heraustreten“. Was sich in den Orgien der Dionysosfeste mit Wein (Drugs) und schriller Musik (Rock‘n Roll?) recht urtümlich austobte, erwies sich in seiner kultivierten Form als ausgesprochen fruchtbar: Der Dionysoskult hat uns das Theater beschert - auch eine Sache, bei der sowohl Schauspieler als auch Zuschauer (durch Identifikation) aus sich heraustreten, d. h. in Ekstase geraten, um durch diesen Perspektivenwechsel neue Erfahrungen zu machen.

Wer Griechisch lernt, tritt auch bis zu einem gewissen Grade aus sich heraus: Er muß die gewohnten Pfade des Denkens zeitweise verlassen und sich geistig in eine Zeit versetzen, die 2500 Jahre her ist. Dadurch entsteht eine gewisse Verfremdung. Man kommt gleichsam "als Fremder“ in die Gegenwart zurück und nimmt dadurch manches anders und bewußter wahr. "Verrückt“ heißt ja eigentlich, daß man nicht mehr an der selben Stelle steht: Will man eine neue Perspektive bekommen, muß man seine Position verändern.

Genau das leistet Griechisch: Man betrachtet alles von einem anderen Punkt aus und bekommt dadurch eine neue Perspektive, einen klareren Blick für die eigene Zeit. In diesem positiven Sinn des Wortes gilt mit Sicherheit der Satz:

Griechisch ist das verrückteste Fach, das das Gymnasium zu bieten hat.